Erklärung der ACA zum Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD

Nach mehrwöchigen Verhandlungen haben CDU/CSU und SPD ein gemeinsames Regierungsprogramm vorgelegt. Mit Blick auf die finanzielle Stabilisierung der sozialen Sicherungssysteme zeichnet sich eine unzureichende Entlastung für die Versicherten ab. Die soziale Selbstverwaltung soll gestärkt und die Sozialwahl modernisiert werden.

Mit Blick auf den Koalitionsvertrag der geplanten schwarz-roten Bundesregierung kommt der Bundesvorstand der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Arbeitnehmer-Organisationen (ACA) zu einer kritischen Bewertung. Entgegen ersten Überlegungen aus der Arbeitsgruppe „Gesundheit und Pflege“ ist keine Dynamisierung des Bundeszuschusses zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) vorgesehen. „Angesichts der aktuellen Beitragsdynamik in der GKV wäre eine stärkere Beteiligung des Bundes an der Finanzierung versicherungsfremder Leistungen dringend geboten“, erklärt der ACA-Bundesvorsitzende Andreas Luttmer-Bensmann. Der jährliche Bundeszuschuss liegt seit 2017 fix bei 14,5 Milliarden Euro und wurde weder an die allgemeinen Preissteigerungen noch hinsichtlich deutlich gestiegener Ausgaben in der stationären Versorgung sowie bei Arzneimitteln angepasst. „Die Rechnung durften in den vergangenen Jahren die Versicherten und Arbeitgeberinnen mittels steigender Zusatzbeiträge begleichen. Dies setzt sich offenbar so fort“, kritisiert der stellvertretende ACA-Bundesvorsitzende Hans-Jürgen Hopf.
Die Delegiertenversammlung der ACA hatte im vergangenen Jahr einen Beschluss gefasst, der weitreichende Reformen für eine verlässliche und nachhaltige Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme fordert. So sollte die Bundesregierung ihrer Verpflichtung nachkommen, GKV-Beiträge für Bürgergeldempfangende in Gänze zu tragen. Letzteres habe das Potential, die Versichertengemeinschaft zu entlasten. Auch für die soziale Pflegeversicherung ist eine dauerhafte finanzielle Beteiligung des Bundes vorerst nicht vorgesehen, sondern es wird eine Kommission eingesetzt, die noch in diesem Jahr Reformvorschläge vorlegen soll. Auch hier hätte die ACA konkrete Schritte erwartet, insbesondere durch die Übernahme versicherungsfremder Leistungen. So sollten die Rentenbeiträge für pflegende Angehörige aus Steuermitteln gedeckt werden.
Begrüßt wird hingegen, dass die Mittel zur Umsetzung der Klinikreform nicht aus dem Gesundheitsfonds aufgewendet werden, sondern aus dem geplanten Sondervermögen für Infrastruktur.
Im Gleichklang mit anderen Arbeitnehmerorganisationen und Gewerkschaften hatte die ACA Kritik an der geplanten Finanzierung des Transformationsfonds aus Beiträgen der Versicherten geübt. „In diesem Punkt sehen wir uns in unserem Engagement bestätigt“, ergänzt die stellvertretende ACA-Bundesvorsitzende Kathrin Zellner.
Was den finanziell größten Zweig der Sozialversicherung betrifft, sieht der ACA-Bundesvorstand ebenfalls deutlichen Nachbesserungsbedarf. „Im Zuge des Renteneintritts der geburtenstarken Jahrgänge zeichnet sich ein enormer Anstieg des Beitragssatzes zur gesetzlichen Rentenversicherung gegen Ende des Jahrzehnts ab. Hier hätten wir uns vorausschauende Reformansätze gewünscht anstatt die Lösung offensichtlicher Probleme auf eine Kommission zu verschieben, die erst zur Mitte der laufenden Legislaturperiode Ergebnisse vorlegen soll“, kritisiert Hans-Jürgen Hopf, der auch als ehrenamtlicher Versichertenberater tätig ist. Immerhin soll die geplante Angleichung der Rentenanwartschaften für Kindererziehungszeiten aus Steuermitteln finanziert und nicht wie bei bisherigen Anpassungen bei der sogenannten Mütterrente den Beitragszahlenden aufgebürdet werden.
Eine Reform der sozialen Selbstverwaltung und der Sozialwahlen
Daneben sieht der Koalitionsvertrag eine Stärkung der sozialen Selbstverwaltung vor.
„Die Selbstverwaltung der Krankenkassen, Berufsgenossenschaften und Rentenversicherungsträger ist ein Grundpfeiler unserer demokratischen Ordnung“, betont Andreas Luttmer-Bensmann. Die geringe öffentliche Aufmerksamkeit für das, was in den Aufsichtsgremien passiere, werde nicht ihrer Bedeutung gerecht. Denn durch das sozialpartnerschaftliche Miteinander von Versicherten und Arbeitgeber
innen in den Vorständen und Verwaltungsräten, Vertreterversammlungen und Widerspruchausschüssen findet gelebte Demokratie statt, der Wert dieser Arbeit sollte deutlicher sichtbar werden. Umso mehr wird von Seiten des ACA-Bundesvorstandes die geplante Stärkung der sozialen Selbstverwaltung begrüßt, welche allerdings noch inhaltlich unterfüttert werden muss. Wichtig wäre aus Sicht der ACA, die Friedenswahlen in den einzelnen Sozialversicherungsträgern weiter zu unterstützen, da sich dieses System bewährt hat. Darüber hinaus ist eine Stärkung der Aufgaben und Kompetenzen der sozialen Selbstverwaltung in einzelnen Sozialversicherungsträgern nötig.
Die Absicht einer Stärkung der Selbstverwaltung wird im Koalitionsvertrag mit dem Ziel modernisierter Sozialwahlen verbunden. „Das Sozialwahlmodernisierungsgesetz von 2019 hat den bürokratischen Aufwand für teilnehmende Organisationen erhöht, ohne erkennbaren Mehrwert kenntlich zu machen. Eine Vereinfachung der Verfahren zur Teilnahme an den Sozialwahlen ist vor diesem Hintergrund äußerst wünschenswert“, erklärt Kathrin Zellner. Gerne hätte man es gesehen, wenn das Anliegen des Bundesbeauftragten für die Sozialwahlen aufgegriffen worden wäre, dem Prinzip der sozialen Selbstverwaltung durch Aufnahme in das Grundgesetz Verfassungsrang zu verleihen. Wichtiger sei es jedoch, dass nun greifbare Maßnahmen auf den Weg gebracht würden, um die Mitbestimmungsmöglichkeiten der ehrenamtlich Engagierten in den Verwaltungsräten der Krankenkassen sowie Vorständen und Vertreterversammlungen von Renten- und Unfallversicherung zu stärken. „In vielen Punkten wird es letztlich auf die konkrete Umsetzung ankommen“, ergänzt Hans-Jürgen Hopf.

Die ACA setzt sich für eine solidarische und sozial gerechte Gestaltung der Sozialversicherung ein. Gemeinsam treten ihre Mitgliedsverbände – die Katholische Arbeitnehmerbewegung, das Kolpingwerk
und der Bundesverband evangelischer Arbeitnehmerorganisationen – bei den Sozialwahlen an. Aktuell
ist die ACA mit mehreren hundert Mandatsträger
innen in über 35 Krankenkassen, Berufs-genossenschaften und Rentenversicherungsträgern auf Bundesebene und in den Bundesländern aktiv. Damit ist sie nach den Gewerkschaften deutschlandweit der zweitgrößte Akteur im Bereich der Sozialwahlen.*

Kontakt:
Alexander Suchomsky (ACA-Bundesgeschäftsführer)
Tel.: 0221 / 20701131, Email: alexander.suchomsky@kolping.de
Weitere Informationen unter www.aca-bund.de